An die Tiere der Erde

 
Ach, wenn ich euch sagen könnte:
Ihr Tiere der Erde, seid auf der Hut,
lasst euch nicht der Freiheit berauben
trotzt der Menschen unheimlich Mut,
wagt es nicht, ihren Fallen zu glauben.
Du, Bussard, bist frei und ziehst deine Kreise,
aber ich sah, ein Bussardpaar,
das träumte nur noch vom Fliegen.
Im niederen Käfig aus dickem Draht,
ich hörte es weinen, ganz leise.
Du, Fuchs, wirst gejagt – erbarmungslos
Die Mutter genommen den Kindern.
Dein Leben verrinnt im Gitterreich
Nur schlafen auf Holz,
darfst nie mehr jagen – schlau und stolz.
Du, Marder, munterer Gesell,
wirst gefangen in grausamen Fallen.
Doch wer dich lebend sehen will,
sieht im Zoo deine Sehnsucht nach Freiheit verhallen
beim flinken, endlosen Lauf
an der Käfigwand.
Du, schöner starker Bär, pass auf!
Du musst sonst deinen Wald vergessen.
Die Felsen, den Fluss.
Im Park der Tiere ist dein Raum bemessen.
Beton und Eisen zum Polieren
Und Menschen gehen vor dir spazieren.
Ihr großen sanften Katzen,
wozu wär im Zoo noch eure Kraft?
Im engen Raum
Mit blanken Kacheln,
Sehnsucht im Blick
und lautlosen Tatzen.
Zehn Schritte bis zur Käfigwand
Ist euer Weg und
Verzweifelte Hoffnung
ein Leben lang.
Du schöner Gorilla,
beschütze die Horde,
bau dein Nest,
lauf weit – solang du es noch kannst –
zerstört sind deine Regenwälder.
Bald wohnt ihr nur noch im Zoo.
In Stahl und Beton
Ohne Grün und Gras
Mit Langeweile tagein tagaus,
mit Tisch und Stuhl
sieht so lustig aus.
Immer ertragend
Schmerzende Blicke der Menschenmenge.
Natter – flink
Hast’s schwer genug.
Schon immer verfolgt und erschlagen.
Fliehe!
Man sperrt dich sonst ein
Ins Kämmerchen aus Felsgestein.
Dort wirst du oben hoffend verharren
Am Scheinausgang des Drahtgeflechts.
Nicht Sonne noch Wind
Und es ginge dir schlecht.
Die Menschen machen euch Zirpgeräusche
Und glauben, euch damit zu verstehen.
Sie lachen und sehen im Weitergehen:
„Da gibt es Eis!“
und laben ihre Bäuche.
Ein Kind ist müde,
der Abend naht.
Ins Auto gesetzt
Los geht die Fahrt.
Gedanken an Morgen und neues Glück
                                              Ganz klein --- bleibt ihr Tiere zurück.
„Oh, sieh doch mal“, ruft das Kind
halb im Traum. Ein Eichhörnchen flieht auf den Baum –
„Ach wie süß“, ruft die Frau,
und sie halten auch an,
betrachten es ganz genau.
Ach, wenn ich euch sagen könnte:
Ihr Tiere der Erde, seid auf der Hut!
Flieht der Menschen anmaßend Tun.
Ihm reichen nicht Museen mit totem Getier.
Er will euch für Augenblicke lebend
Und übersieht gern eure Leiden dafür!


Jutta Hinz